Der Trend zum Selbststudium hat in den letzten Jahren eindeutig zugenommen. Mit wenigen Klicks lassen sich auf Kanälen wie YouTube Anleitungen zum Reparieren des neuesten Smartphones, Trainingspläne für den nächsten New York City Marathon oder eben Tutorials zum Geige lernen finden. Die vorherrschende Meinung unter professionellen Geigenlehrern ist aber nach wie vor, dass Geige lernen ohne regelmäßigen Geigenunterricht nicht oder nur schlecht möglich ist. Dies ist eine Expertenmeinung, die aufgrund von Erfahrungswerten sicherlich ihre Berechtigung hat, allerdings sollten hierbei zwei Dinge nicht unberücksichtigt bleiben: Erstens bekommen Geigenlehrer wohl vorrangig die erfolglosen Autodidakten zu Gesicht, die nach einiger Zeit nicht mehr weiter wissen oder Haltungsprobleme bekommen (die erfolgreichen Autodidakten dürften dagegen nur selten Lehrer aufsuchen). Und zweitens kann man davon ausgehen, dass ein gewisses Eigeninteresse von Geigenlehrern besteht, die Meinung zu vertreten, dass Geige lernen nur im Zuge eines professionellen Unterrichts sinnvoll sei.
Zweifellos ist es nicht unmöglich, sich Geige spielen ohne Lehrer und im Selbststudium beizubringen. Man sollte sich dies allerdings gut überlegen. Die Haltungstechnik ist verhältnismäßig aufwändig, gerade zu Beginn sind zahlreiche, relativ komplexe Bewegungsabläufe gleichzeitig zu berücksichtigen. Instrumentales Lernen stellt zu einem großen Anteil Bewegungslernen dar und zielt somit auf richtige Wiederholungen. Im Hinblick auf diesen zentralen Aspekt ist ein externes Feedback extrem hilfreich und effizient. Bereits zigfach wiederholte unvorteilhafte Bewegungen und Reflexe können in der Regel nur noch mit sehr großem Aufwand ausgebügelt werden. Ein guter Geigenlehrer achtet beim Geigenunterricht von Anfang an auf richtige Bewegungen, hilft nach Prioritäten zu filtern und die Aufmerksamkeit auf individuelle physiologische Teilaspekte zu lenken.